Nein, ich spreche hier nicht von Politik - oder doch? Ich jedenfalls meine die verheerenden Auswirkungen des Einsatzes von Auftausalz auf die Umwelt, besonders auf die Stadtbäume. Und um etwas Wichtiges vorweg zu nehmen: Ich selbst habe mich lange Zeit in der trügerischen Sicherheit gewogen, das Thema sei „ein für alle Mal vom Tisch“.
Was passierte eigentlich - damals und heute?
Streusalz ist denaturiertes Steinsalz und sollte einen hohen Gehalt an NaCl aufweisen, im Idealfalle (aus Sicht des Streu-Einsatzes) etwa 98%. Natriumchlorid ist für die Existenz von höheren Lebewesen z. B. der der Menschen essentiell. Jeder von uns besitzt etwa 0, 9 % in seinem Körper und verliert je nach Witterung, körperlicher Anstrengung usw. zwischen 3 und 20 g/Tag. Kochsalz, wie das Natriumchlorid auch genannt wird, war über einen langen Zeitraum ein teures Handelsgut und wurde, auch als weißes Gold bezeichnet (Abb. 1), auf der „Salzstraße“ transportiert, ähnlich wie Gewürze aus dem Orient. Auch der Reichtum norddeutscher Städte, wie Lüneburg oder Celle, aber auch der im Süden der Republik, z. B. Bad Reichenhall basierte auch auf der Gewinnung von Kochsalz.
Experten schätzen, dass allein in Deutschland etwa 1 Mio. Kubikkilometer Salz in der Erde schlummern. Ein Schelm, der dabei an einen riesigen Reibach für die, die das Salz fördern können, denkt… Viele weitere interessante Details findet man unter anderem bei Goggle/WIKIPEDIA z. B. unter dem Stichwort „Natriumchlorid“.
So sehr viele Lebewesen Salz benötigen, so sehr wird es, da krank macht oder sogar als lebenszerstörend gilt, zum Fluch, wenn es im Übermaß aufgenommen wird. Das ist bei den Menschen nicht anders als bei anderen höheren Lebewesen – aber auch bei den Pflanzen/Bäumen. Die bei uns üblichen Straßenbäume haben unterschiedliche, natürlicherweise vorkommende Konzentration von NaCl in Ihrer Körperflüssigkeit und sie besitzen unterschiedliche Salztoleranzen (STRECKENBACH, 2012). – Das alles wurde erforscht und gehört seit vielen Jahren zum fachlichen Allgemeinwissen auch der „grünen“ Praktiker (GALK AK-Stadtbäume, 2012).
In einer kürzlich durchgeführten Analyse des Salzgehaltes im Laub und im Boden (Wurzelbereich) einer Linde nennt der beauftragte Gutachter (MEYER-SPASCHE, 2012) die für Linden als „normal“ anzusehenden Gehalte an Streusalz im Gewebe von einem Kilogramm der Blätter: Chlorid – etwa 1.000 mg; Natrium – etwa 500 mg. Im Gewebe des untersuchten Laubes fand er allerdings 19.816 mg/Kg Cl und 14.080 mg/Kg Na. Im Wurzelbereich des Baumes waren es immerhin, trotz der Auswaschungsvorgänge während des bis dahin vergangenen Jahres, immer noch 128 mg Na/Kg Boden. Wem es jetzt die Sprache verschlägt, dem sei verraten, dass in einer benachbarten Stadt ganz ähnliche Werte festgestellt wurden. Dass allerdings die untersuchten Wurzeln der Linde, trotz der bestehenden hohen Salzbelastung, zu einem sehr hohen Anteil alle mit Mykorrhizen infiziert waren (STRECKENBACH, 2012), hat mich sehr verwundert.
Wer von uns nicht mehr „ganz jungen“ erinnert sich nicht an die mahnenden Hinweise, Angang der 1980-iger Jahre, auf korrosive Wirkung für Brückenkonstruktionen, die ätzenden Auswirkungen des NaCl auf die Pfoten unserer vierbeinigen Freunde und wer kennt sie nicht, die Kotflügel unserer Autos, von denen das Salz nur so herunter tropft – auch dann, wenn sie auf einem Parkplatz, unter Bäumen abgestellt sind.
Vor ein paar Tagen berichtete NDR 1 Niedersachsen darüber, dass Geologen eine immer stärkere Versalzung des Untergrundes beklagen und Wasserproben aus über 100 m Tiefe analysieren wollen.
Stolz wird in Westfälischen Nachrichten der Neuen Osnabrücker Zeitung unter der Überschrift „Salz satt und neues Räumgerät (…)“ berichtet, dass die Straßenmeistereien in zwei Gemeinden gut auf den Winter vorbereitet sind. „Der Winter darf kommen“ so lautet eine Bildunterschrift. Auch von einem neuen Silo wird berichtet, es fasst 60 t Streusalz.
Ich bin nicht grundsätzlich gegen den gezielten und verantwortungsbewussten Einsatz von Streusalz aber ich traue den Worten nicht, die da geschrieben stehen, dass der Einsatz von Salz „bedarfsgerecht“ erfolgt. Ich erinnere mich gut an den vergangenen Winter und einen völlig trockenen und bestens befahrbaren Radweg in der Nähe unseres Hauses – bis das „vorbeugende“ Salzstreuen begann. Da wurde die Asphaltdecke nass und der Nachtfrost tat dann das Weitere… Eine unheilvolle Spirale war in Gang gesetzt worden.
Das Fatale ist, dass sowohl der Boden, als auch die Straßenbäume (und die restliche Natur) geschädigt werden. In den Bäumen werden die NaCl – Ionen im Herbst wie andere essentiellen, aus dem Boden aufgenommene Nährelemente sowie im Rahmen der Assimilation gebildete Produkte eingelagert und im Frühjahr erneut mobilisiert (BRAUN, 1980).
Die Spaltöffnungen auf den Unterseiten der Blätter können nicht mehr verschlossen werden und die Bäume verdunsten das für Stadtbäumen ohnehin knappe Wasser. Das NaCl reichert es sich im Gewebe der Bäume an und führt zu den weiteren, bekannten Schäden: verspätetem Austrieb, Blattrandnekrosen, viel zu frühem Laubfall – oft schon im August, manchmal erneutem, zweitem Austrieb in demselben Jahr (RUGE, 1978) und so weiter. Andere physiologische Aspekte, die, wenn der Streusalzeinsatz im Traufbereich der Baumkronen nicht unterbleibt, zum Tode der betroffenen Bäume führen, kommen hinzu (Abb. 2 und 3). Das geschieht von Jahr zu Jahr auf `s Neue – oder auch nicht...
Im Boden wirkt das Streusalz zerstörend auf die Struktur. Die benötigten Krümel zerfallen zu der nicht gerade optimalen „Einkornstruktur“, mit der Folge, dass die Durchlüftung des Wurzelbereichs, der Gasaustausch nicht mehr richtig funktioniert, die Infiltration von Regenwasser behindert ist und, und, und (Abb. 4 und 5).
Es ist ein Teufelskreislauf der da in Gang gesetzt wird wenn das streusalzhaltige Wasser in den Wurzelbereich eines Baumes und so in die Pflanze gelangt (Abb. 6). Klar, haben wir gelernt, alternative Streumaterialien (Sand, Splitt, fein gebrochener Blähton) zu verwenden und, dass das Eindringen von Salzwasser durch dichtes Verstreichen der Fugen in Bordsteinen minimiert werden kann. Aber haben wir nicht auch über den Gasaustausch über die Flächen unter den Bäumen nachgedacht und Wege gefunden, dies zu realisieren? Wenn es nicht gelingt den Einsatz von Streusalz auf Gehwegen auf null zurückzufahren, von wirklichen Ausnahmen („Eisregen“) und Ausnahmesituationen abgesehen (dann aber äußerst sparsam!!!), werden wir in den vor uns liegenden Wintern eine unglaubliche Anzahl von Bäumen verlieren. Ich glaube, dass die Verluste durch den Orkan Kyrill dagegen nur eine „Kleinigkeit“ waren.
Eine weitere provokante Frage sei gestattet: Müssen die Wurzelräume unserer Straßenbäume zukünftig „nicht wasser- und luftdurchlässig“ ausgebildet werden, um das Eindringen von auftausalzhaltigem Wasser zu unterbinden? Die ersten diesbezüglichen Überlegungen, salzwasserabweisende Folien (Abb. 7) einzubauen oder andere Dichtungsmaterialien zum Schutz der Bäume zu verwenden, wurden bereits angestellt.
von Klaus Schröder, Lotte/Osnabrück
Literatur:
BRAUN, H. J.: Bau und Leben der Bäume. Rombach hochschul paperback, Verlag Rombach, Freiburg, 1980
GALK AK–STADTBÄUME: „Straßenbaumliste der Gartenamtsleiter“, 2012
INTERNET: www.google.de – WIKIPEDIA Die freie Enzyklopädie: Auftausalz de wikipedia. org/wiki/Auftausalz
MEYER-SPASCHE, H.: Pflanzen – und Bodenanalyse (Analysenreporte Auftrags-Nr.: 18241 und 182719), Institut Dr. Meyer-Spasche Boden Pflanze Wasser, Speziallabor für Pflanzenernährung, nicht veröffentlicht, 2012
RUGE, U. in MEYER, F.H.: Bäume in der Stadt. Ulmer Fachbuch – Landschafts- und Grünplanung, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 1978
STRECKENBACH, M.: Ergebnis der Überprüfung des Mykorrhizierungsgrades der Wurzeln der Linde (…), Sachverständigenbüro für urbane Vegetation, Dr. M. Streckenbach, nicht veröffentlicht, 2012